Schon die Anlage des Museums verdeutlicht den Lehrhauscharakter. Auf der unteren Ebene wird die Geschichte der Juden in Westfalen dokumentiert, die im Holocaust endete. In der oberen Ebene des Hauses findet die eigentliche Begegnung mit dem Judentum statt. In drei Zyklen sind die religiösen Höhepunkte im Lebenslauf und im Jahresfestkreis sowie der Weg vom Antijudaismus zum Antisemitismus dargestellt, wobei zur Veranschaulichung eine Fülle eindrucksvoller Exponate vorgestellt werden. Ein ausführliches Leitsystem hilft auch dem Alleingänger, sich zurechtzufinden. Dieses Leitsystem besteht aus kurzgefaßten, gut lesbaren Informationstafeln, die dem Besucher erklären, was die einzelnen Feste bedeuten, wie sie gefeiert werden und wie jüdische Menschen beten. Gemäß dem Wort von Samson Raphael Hirsch, einem bedeutenden Rabbiner aus dem vorigen Jahrhundert, ist der »Katechismus der Juden [...] sein Festkalender«. So erhält der Besucher hier gleichsam eine Einführung in die jüdische Glaubenswelt in Form einer Katechese.
Wichtig war es auch, den Unterschied zwischen dem Antijudaismus und dem Antisemitismus herauszustellen. Der Begriff des Antisemitismus wird häufig undifferenziert für alle judenfeindlichen Erscheinungen und Äußerungen verwendet, während er strenggenommen erst verwendbar ist von der Mitte des 19. Jahrhunderts an. Durch die schleichende Auflösung religiöser Bindungen in der Gesellschaft verlor der traditionelle Vorwurf des Gottesmordes immer mehr an Gewicht. An seine Stelle trat der rassistische Aberwitz vom verdorbenen jüdischen Blut als einer vehementen Gefährdung des höherwertigen reinen germanischen Blutes.
Viele absichtsvoll hergestellten Zusammenhänge können allerdings nur bei einer Führung erkannt werden, wobei die Führungschwerpunkte immer wieder anders gesetzt werden müssen, je nach Kenntnisstand und Interessenlage der Besucher. So sehr diese Führungen schon Aufklärungs- und Lehrcharakter haben, bedarf es doch der vertiefenden Erschließung der Ausstellung und natürlich auch der Ausweitung der Thematik auf Gebiete, die durch die Ausstellung nicht oder nur unzureichend erfaßt sind. Diesem Ziel dient das Lehrhausangebot. Weitere Informationen findet der Besucher in einer dem Museum angeschlossenen Bibliothek.
Publikationen:
Wolf Stegemann / Johanna Eichmann, Jüdisches Museum Westfalen. Dokumentationszentrum und Lehrhaus für jüdische Geschichte und Religion in Dorsten. Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Westfalen - Katalog. Dorsten 1992. 278 S., viele Farb- und Schwarzweiß-Fotos, 38,00 DM
Zu beziehen über: Jüdisches Museum Westfalen, Postfach 622, 46256 Dorsten. (02362) 45276.