Ryszard Pankiewicz

 

Apothropäisch-restituierende Funktionen der Todesstrafe
in der frührömischen Gesellschaft

(Zusammenfassung)

 

 

In dem Artikel wird es versucht, einige beinahe verschwiegene Aspekte der römischenTodesstrafe näherzubringen und sie in einem anderen Zusammenhang darzustellen, aus dem heraus die Todesstrafe - Verfassers Meinung nach - betrachtet werden soll. Das Leben derzeitiger Gemeinde stützte sich auf der festen Überzeugung, daß alles Heil bzw. Unheil vom göttlichen Willen abhängt, dessen jede Vernachlässigung den unberechenbaren Zorn verursacht und den Friedensbruch mit unsichtbaren jedoch spürbaren Kräften, die notwendigerweise eine ehrfürchtliche Scheu auslösen mußten und zu einer Vergrößerung der allgemein wahrnehmbaren Angst führten, mitbringt. Besonders dann, wenn irgendjemand eines der geltenden Verbote übertreten hat, oder sonst in Berührung mit einer der gefährlichen Substanzen, wie z.B. Blut, Leiche geraten war, dürfte er nicht weiter an den Handlungen der lokalen Gemeinschaft teilnehmen, weil seine Anwesenheit als eine ernste Bedrohung für alle anderen Menschen empfangen wurde, und demzufolge eine Verletzung der kosmischen und sozialen Ordnung darstellte.

Alle ungewöhnlichen Erscheinungen, wie etwa Blitzschlag, Erdbeben, Sieg oder Niederlage über die Feinde, Mißgeburten von Tieren und Menschen, Steinregen, Finsternissen etc., waren Äußerungen von gewaltigen Mächten, was damalige Menschen anzunehmen zwang, daß mittels solcher Vorzeichen und Prodigien, von denen die römische Überlieferung voll ist, würden die beobachtenden Menschen gewarnt, bestätigt oder nicht selten gedroht, obwohl man nicht immer feststellen konnte, von wem sie nämlich herkamen. Dann versuchte man, die gestörte pax deum mit allen zugänglichen Mitteln wiederherzustellen, was in derjeniger Weise geschah, daß die zum Tode bestimmte Person nicht von einem einzelnen, sondern grundsätzlich entweder von einer namenlosen Masse oder weitab von den in der Gemeinde zusammen lebenden Menschen einsam von dem Henker getötet oder verwundet wurde, infolgedessen kein einzelner belastet werden konnte, unabhängig davon, ob man mit der Lebendigbegrabung, Steinigung, dem Sprung oder Sturz vom Felsen ins Meer oder in einen Fluß zu tun hatte.

Das Ziel solcher Art von Tötung war also vermutlich nicht so die Bestrafung selbst, sondern vielmehr hielt man die Person für einen Gefahrenträger, durch den der Frieden der Gemeinde gestört wurde oder möglich war, und deshalb mußte man sie pro salute populi Romani aussondern und außerhalb des pomoerium verlagern und beseitigen, wenn nicht physisch vernichten, was trat immer dann ein, wenn man fürchtete, der Staat sei von irgendeinem Unglück bedroht, und die Todesstrafe sich als notwendig erwies, damit die gefürchtete Ansteckung sich anläßlich seiner Tat sowie Hinrichtung nicht in der Gruppe ausbreitete und der göttliche Groll nicht das ganze Gemeinwesen traf.

Zusammenfassend kann man wohl annehmen, daß die Todesstrafe nicht so sehr auf die Tötung als auf die Entfernung ziele und insofern eng mit der Verbannung zusammenhänge, woraus sich ferner folgern läßt, daß ihr Sinn Ausstoßung aus derzeitiger Gemeinschaft sein müßte. Man kann außerdem ihr eine symbolisch abwehrende oder apothropäische Bedeutung zuschreiben, wobei sich beide freilich nicht sehr klar auszudrücken schienen. Gleichzeitig galt sie seit jeher als ritueller Sühneakt, mit dem sich die Gemeinde von der Rache der Götter für das geschehene oder nur angebliche Verbrechen loskaufen hoffte.